Pilzforschung in den österreichischen Nationalparks

Nationalpark Thayatal im Frühlingskleid, Umlaufberg, Flussmäander, Headerbild für Aktuelle Nachrichten.

Pilze - ein unentbehrlicher Bestandteil unserer Ökosysteme

Dr. Alexander Urban über eine aktuelle österreichweite Pilzerhebung in den Nationalparks und Großschutzgebieten


Nur etwa 300 km Luftlinie trennen den Nationalpark Hohe Tauern vom Nationalpark Neusiedlersee, und doch bewahren diese und die dazwischen liegenden Schutzgebiete Lebensräume, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Hier eine hochalpine Landschaft mit Gletschern und vielen Arten, die sonst nur in der Nähe der Arktis oder im Nadelwaldgürtel des nördlichen Eurasiens zu finden sind - dort ein Steppensee und Salzlacken, abflusslose Binnengewässer, wie sie nur in den Steppengebieten dieser Erde zu finden sind. Dieser landschaftlichen Vielfalt ist es zu verdanken, dass Österreich auf relativ kleinem Raum eine Vielzahl an Arten beherbergt. Manche Besonderheiten erschließen sich erst bei genauerem Hinsehen: der verschlungene, mäandrierende Verlauf der Thaya, der dem Thayatal besonderen Reiz und Lebensraumvielfalt verleiht, ist eigentlich untypisch für ein Durchbruchstal. Die Flussschlingen des ehemaligen Tieflandflusses blieben erhalten, als die Böhmische Masse, im Zuge der Auffaltung der Alpen neuerlich gehoben wurde. So bewahrt jedes der Großschutzgebiete einen besonderen Ausschnitt der Naturgeschichte Österreichs, ein einzigartiges Ensemble an Lebensräumen und Arten, und ermöglicht den Fortbestand der Prozesse, die diese Lebensräume immer wieder neu schaffen.

Unentbehrlich und faszinierend vielfältig
Pilze sind unentbehrlicher Bestandteil der Lebensgemeinschaften, in Österreich konnten bereits über 9.000 Arten dokumentiert werden. Diese zersetzen totes organisches Material, rezyklieren die darin enthaltenen Nährstoffe, tragen zur Bodenbildung bei, versorgen als Mykorrhizapilze ihre Wirtspflanzen mit Nährstoffen oder nutzen als parasitische Pilze ihre Wirte zum eigenen Vorteil. Pilze beeinflussen die Produktivität der Vegetation, also deren Fähigkeit, CO2 aus der Luft zu fixieren, sowie die Speicherung oder Freisetzung von CO2 im Boden. Dabei sind sie Teil eines Nahrungsnetzes, das auch eine Vielzahl an Bakterienarten sowie einzellige und vielzelligeTierarten umfasst.

Forschungsfragen im Zuge von Umweltveränderungen
Wie bei anderen Organismengruppen auch, ist ein hoher Anteil der Pilzarten selten oder gefährdet. Die gefährdeten Arten haben meist sehr spezifische Lebensraumansprüche. Die Nationalparks und weitere Großschutzgebiete bieten für diese Schatzkammern der Biodiversität den bestmöglichen Schutz. Dennoch gehen die fortschreitenden Umweltveränderungen auch an großen Schutzgebieten nicht vorbei. Gletscherschmelze, der Rückgang des Permafrosts, Käfer- und Dürreschäden in den Wäldern oder das Austrocknen der Salzlacken des Seewinkels zeugen von dem in Österreich rasant verlaufenden Klimawandel. Wie wirken sich diese Veränderungen auf die Biodiversität der Pilze und Bodentiere aus, und damit letztlich auch auf die Ökosystemdienstleistungen? Die aktuelle Untersuchung soll mittels Analyse von Umwelt-DNA zur Klärung dieser Fragen beitragen.

Das Forschungsprojekt
Dieses österreichweite Forschungsprojekt wurde vom Nationalpark Thayatal initiiert und wird aktuell gemeinsam mit den Verwaltungen der österreichischen Großschutzgebiete (Nationalparks Hohe Tauern, Nationalpark Gesäuse, Nationalpark Kalkalpen, Nationalpark Donau-Auen, Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel, Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal und Biosphärenpark Wienerwald) umgesetzt. Die Untersuchung wird von dem Mykologen Alexander Urban geleitet. Im Rahmen der Erhebung werden in Kooperation mit dem BfW (Bundesforschungszentrum für Wald) und dem AIT (Austrian Institute of Technology) neuartige Technologien verwendet um die Pilzvielfalt möglichst genau zu erforschen. In den Schutzgebieten werden Bodenproben an verschiedenen Standorten genommen. Davon werden DNA Spuren, die sich in den Proben befinden, analysiert und so die einzelnen Pilze nachgewiesen. Durch die Aufnahme vieler weiterer Umweltparameter an den Standorten kann dann die ökologische Rolle und Funktion der Pilze dargestellt werden. Für die Schutzgebiete ist es auch ein deutlicher Mehrgewinn, Informationen über die Pilze im eigenen Gebiet zu bekommen. Da Pilze die meiste Zeit im Verborgenen leben, ist über sie in den Schutzgebieten noch wenig bekannt. Eine faszinierende Entdeckungsreise hat durch dieses Projekt begonnen.
01.10.2024

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