Jahreszeiten

Frühling im Thayatal

Ende Februar, Anfang März kommen die ersten Schneeglöckchen ans Licht. Mehrere Wochen und einige Kälteeinbrüche später gleicht der Nationalparkwald einem bunten Blütenmeer. Zur Zeit der Schneeglöckchen-Vollblüte sorgen die Blüten von Leberblümchen, Gefingertem Lerchensporn, Seidelbast, Lungenkraut, Schlüsselblumen und Scharbockskraut für leuchtende Farbkontraste. Auch bei den Sträuchern gibt es Frühblüher: Der steile, südexponierte "Überstieg" des Umlaufberges ist ganz mit dem gelb blühenden "Dirndlstrauch", dem Gelben Hartriegel, bedeckt.

Neben den optischen Reizen wird der Frühlingswald mit Blumendüften des März-Veilchens oder des Seidelbastes überflutet. Ohne die dickleibigen Hummeln und die umtriebigen Bienen wäre es um die Bestäubung im zeitigen Frühjahr traurig bestellt! Obwohl im Wald noch letzte Schneereste da und dort den Boden bedecken, lockt die spürbare Wärme die ersten Insekten aus ihrem Winterquartier. Auch Schmetterlinge wie Zitronenfalter, kleiner Fuchs und Tagpfauenauge gaukeln bereits als bunte Farbtupfer über die Einsiedler- oder Umlaufwiese.

Geräuschkulisse Nationalpark


Auch akustisch hat der Frühling einiges zu bieten: Aus den Baumkronen hört man schon Anfang März häufig die Rufe oder das "wilde Hämmern" der Spechte, die bereits sehr früh im Jahr ihre Reviere besetzen. Der Nationalpark bietet mit seinem großen Angebot an Totholz acht der zehn in Österreich heimischen Spechtarten Lebensraum! So zeugt eine Vielzahl von Spechtbäumen z.B. entlang des Einsiedlerweges von der Anwesenheit des Schwarzspechtes.

Auffallend sind die Rufe des Kuckucks, der Gesang von Waldlaubsängern und das Zwitschern der Blaumeisen. Sie erfüllen die Luft mit einem stimmgewaltigen Konzert - das "Lied des Frühlings" ist allgegenwärtig. Laute Töne von sich zu geben ist ein bewährtes Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen. Beim Nationalparkhaus oder in der Nähe der Ruine Kaja untermalen Unken- und Erdkrötenmannchen die Abendstimmung mit ihren Rufen und locken dadurch die paarungswilligen Weibchen an.

Der Storch ist ein echter Frühlingsbote unter den tierischen Nationalpark-Bewohnern: Ab Mitte März kehren die Schwarzstörche aus ihrem afrikanischen Winterquartier ins Thayatal zurück. Sie zeigen eine starke Bindung an ihren alten Horst, wo die "Ehepartner" des Vorjahres wieder zusammentreffen. An günstigen Stellen kreisen die auffälligen Vögel im warmen Aufwind hoch hinauf und gleiten in elegantem Segelflug über die Thayaschlingen hinweg. In Hardegg kann man Schwarzstörche oft in geringer Flughöhe sehen. Besonders häufig ist er in der Thaya bei der Nahrungssuche rund um den Umlaufberg zu beobachten.

Frühjahrshochwasser an der Thaya


Beim Frühlingsspaziergang tritt die Thaya eindrucksvoll in Erscheinung - und mitunter sogar über die Ufer. Der durchschnittliche Jahresdurchfluss der Thaya bei Hardegg beträgt 9,74 m³/sec. Zur Zeit der Schneeschmelze, wenn die Böden kein Wasser mehr aufnehmen können, kommt es in Verbindung mit Niederschlag immer wieder zu Frühlingshochwässern. Diese werden in der Regel vom Kraftwerk Vranov "abgefangen". Droht der Stausee voll zu werden, werden die Tiefenablässe geöffnet und der Abfluss wird erhöht.

Beim Frühlingshochwasser steigt der Durchfluss auf etwa 60 m³/sec, am Wassermesser unterhalb von Hardegg ist dann ein Wasserstand von 230 cm abzulesen. An manchen Stellen erreicht das Wasser die Wanderwege, in kritischen Fällen werden daher der Thayatalweg oder der Weg durch das Kajabachtal von der Nationalparkverwaltung gesperrt.

Sommer im Thayatal

Sommer im Thayatal ist eine Einladung, bunte Üppigkeit zu genießen, die Gedanken frei zu lassen. Die Sommerfrische weckt Erinnerungen an eine Zeit, als vieles noch ein wenig gemütlicher war und man barfuss ging.

In der Früh liegt dichter Nebel auf der Thaya, besonders nach nächtlichem Regen. Wo die ersten Sonnenstrahlen hinfallen, wärmen sich Würfelnatter, Äskulapnatter, Libellen und Käfer. An den steilen Felshängen kommen Smaragdeidechsen aus den Spalten hervor, Heuschrecken und "blütenverliebte" Schmetterlinge tummeln sich dazwischen. Jene Pflanzen, die auf heißen, trockenen Felsen wachsen, sind ausgesprochene Spezialisten. Einige von ihnen, wie zum Beispiel die Fetthenne, können in verdickten Blättern Wasser speichern, andere, wie das Kleine Habichtskraut, haben sich als Schutz vor der Strahlung ein dichtes Haarkleid zugelegt. Bei großer Hitze rollen sich die Blätter ein und zeigen die weißfilzige Unterseite. Wie bei Magerwiesen am Talboden gilt auch hier: Je weniger Nährstoffen im Boden, desto artenreicher sind die Bestände.

Von den urtümlichen Ufern der Thaya jagen Bachstelze und Wasseramsel in schwarz-weiß und rotbraun, wer gut aufpasst, sieht den orange-blauen Eisvogel über die Wasseroberfläche huschen.

In einem kühlen Grunde ...


Der Wald, der sich längs der Thaya über die Steilflanken bis an die Hochebene hinaufzieht, wurde früher trotz der Steilheit genutzt. Heute lässt er bereits die zukünftige Wildnis erahnen. Das dichte Laub der hohen Bäume bietet grünen Schutz vor der Hitze. Außerdem schafft das kalte Wasser der Thaya ein angenehm, kühles Mikroklima. Neben direkter Abkühlung sorgt der Fluss auch für ständige leichte Luftbewegungen. So sind selbst an heißen Sommertagen Thayawanderungen angenehm erfrischend.

Da fühlen sich auch die Vögel wohl. Der Wald ist vom ihrem Gesang erfüllt. Die Melodien und hohen Rufe übertönen das Rauschen der Thaya oder das Geplätscher der Bäche. Zilp Zalp, Mönchsgrasmücke, Buchfink und Zaunkönig begleiten den Wanderer durchs Tal. Am Wegrand entdeckt man Laubfrösche und Blindschleichen. Wer genauer hinsieht kann jede Menge Schnecken, Spinnentiere, Springschwänze, Laufkäfer, Laubwanzen und Ameisen ausfindig machen.

Blumenwiese und Heuernte


Vom angenehm kühlen Wald heraus, kommt uns auf dem Feldweg die heiße Luft mit einem Schwall von Wiesendüften entgegen. Scharfer Hahnenfuß, Wiesen-Bocksbart und Johanniskraut, violette Witwenblume, Echtes Labkraut, Rot-Klee, Wiesen-Labkraut, Schafgarbe und Wiesen-Storchschnabel. Die bunte Blumenwiese ist voller Schmetterlinge, begleitet vom Zirpen der Heuschrecken und Grillen. Schönheit braucht Pflege: Im Nationalpark betreibt man die Mahd nach naturschutzfachlicher Methode; ein Stück Wiese bleibt immer stehen. Diese grüne Insel ist Rückzugsgebiet für die Tiere; die dort verbliebenen Pflanzen bieten ihnen Nahrung und Versteck.

Am Nationalparkhaus umsorgt der Hausrotschwanz sein Nest, die Goldammer singt von früh bis spät, und der seltene Neuntöter nutzt das dornige Gebüsch. Der Kräutergarten lädt zum Schnuppern ein, und mit etwas Glück hört man Abend auf den Feldern die Wachtel rufen.

Um all die Vielfalt und Unberührtheit der Wiesen, Wälder und Flusstäler zu erhalten und zu fördern, wurde das Thayatal bei Hardegg zum Nationalpark erklärt. Gäste sind willkommen: Zum Schauen, Entdecken, Erfahren, Träumen, Genießen.

Bunter Herbst und grauer November

Die Farbe des Herbstes ist "bunt". Bei einer Wanderung durch den Nationalpark Thayatal zeigt sich der Wald von seiner farbenfrohsten Seite. Wie bei einem großen gesellschaftlichen Ereignis versucht jede Baumart, mit buntem Frohsinn aufzufallen. Besonders markant ist das leuchtende Orange der Rotbuchen, aber auch das Rot des Spitzahorns kann sich neben den Braun- und Gelbtönen anderer Baumarten sehen lassen.

Der Herbst ist auch im Nationalpark die Zeit der Ernte. Viele Samen und Früchte sind bereits gereift und werden von den Säugetieren und Vögeln als Wintervorrat gesammelt. Die Besucher des Nationalparks können sich selbst vom köstlichen Geschmack der Natur überzeugen: Brombeeren, Schlehen, Haselnüsse, Dirndln und die Samen der Pimpernuss schauen schön aus und schmecken gut. Damit auch für die Tiere des Nationalparks genug bleibt, gilt der Grundsatz: "Kosten ist erlaubt, Sammeln allerdings verboten!"

Die Herbstzeitlose


Auch das Sammeln von Pilzen ist im Nationalpark nicht möglich. Dafür freuen sich auch die nachfolgenden Wanderer über die schönen Steinpilze, Parasole, Birkenpilze und Rotkappen am Wegesrand. Die bunten Wiesen sind nun allerdings nur noch grün, die Blumen sind längst verblüht. Es gibt aber eine eindrucksvolle Ausnahme: Als einzige Blume blüht nun, kurz vor den ersten Frösten, die Herbstzeitlose in einem zarten Rosa. Die Herbstzeitlose zeigt ein seltsames Verhalten, das als Anpassung an die kurze sommerliche Vegetationszeit während der Eiszeiten gesehen wird. Die Pflanze blüht im Herbst, die Blätter und die Frucht entwickeln sich aber erst im April des nächsten Jahres. Da die Herbstzeitlose giftig ist, wird sie von Weidetieren nicht gefressen.
Nach den ersten Frösten, wenn das Laub zu Boden fällt und die trüben Nebel einfallen, macht sich melancholische Stimmung im Thayatal breit. Die bunten Farben sind verschwunden, die grauen Stämme und das dumpfe Braun des Laubes dominieren das Landschaftsbild. Ein Spaziergang kann trotzdem sehr schön sein. In der Regel trifft man kaum einen Besucher, und der Fluss übt auch in der trüben Novemberstimmung einen besonderen Reiz aus.

Winterwanderung durchs Thayatal

In vielen Artikeln über den Nationalpark Thayatal sind beeindruckende Landschaftsaufnahmen zu sehen. Doch nur selten verirrt sich ein Winterbild in die schöne Bildersammlung. Kein Wunder, denn eine Wanderung durch den winterlichen Nationalpark ist noch ein echter Geheimtipp.

Im Dezember sorgt der feuchte Westwind oft für ein besonderes klimatisches Phänomen: Dicker Reif legt sich über die Bäume, Sträucher und Gräser des Thayatales. Lange und bizarre Eiskristalle beginnen an den Nadeln, Blättern und Rinden zu wachsen. Das ganze Tal ist mit Eis überzogen, nur am Talboden sorgt die Wärme der Thaya für das Fehlen der eisigen Schicht.

Auch ganz weiß, aber doch irgendwie anders schaut das Tal nach einem langen Schneefall aus. Sehr weich legt sich der Schnee über die Landschaft und lässt dabei sanfte, runde Formen entstehen. Weil jetzt die bunten Farben der Vegetation verschwunden sind, treten die dunklen Stämme der Bäume viel deutlicher hervor. Ohne Blätter erscheinen die Wälder offener und geben Weitsicht frei.

Spuren im Schnee


Entlang der Wanderwege sind zahlreiche Tierspuren zu entdecken, die Fährten von Fuchs, Dachs und Graureiher kann man besonders leicht erkennen. Der Winter ist übrigens eine besonders gute Zeit für Tierbeobachtungen. Mit zunehmender Kälte sinkt nämlich die Bereitschaft der Tiere die Flucht zu ergreifen. Das bedeutet, dass die Fluchtdistanzen geringer werden. Wichtig ist aber, dass der Besucher die markierten Wege nicht verlässt. Nur so können die Tiere lernen, dass der Mensch keine Bedrohung für sie darstellt.

Das Kraftwerk in Vranov sorgt dafür, dass der Nationalpark im Winter für zahlreiche Tiere interessant ist. Durch das Ablassen eines Wasserschwalles zweimal pro Tag bleibt die Thaya weitgehend eisfrei. Bis zu 200 Schwäne nutzen die Thaya daher für ihren Nahrungserwerb. Auch die bei den Fischern wenig beliebten Kormorane erscheinen öfters in größeren Trupps und tauchen in der Thaya nach Fischen. Der Eisvogel lebt ebenfalls vom Fisch. Im winterlichen Thayatal stellt sein farbenfrohes Kleid einen bunten Fleck in der Landschaft dar. Besonders eindrucksvoll ist jedoch das Erscheinen eines anderen Wintergastes. Die Graureiher werden aufgescheucht und fliegen aufgeregt umher, wenn der mächtige Seeadler sich am Himmel zeigt. Durch seine Größe und die große Flügelspannweite ist er eine stattliche Erscheinung, durch seine weißen Schwanzfedern ist er leicht von anderen Adlern zu unterscheiden.
Bei besonders tiefen Temperaturen friert die Thaya dann doch zu. Die weiße Eisdecke über dem dunklen Wasser ist ein ungewohntes Bild. Lässt die Kälte wieder nach, zerspringt die Eisschicht mit lautem Krachen. Eisplatten schieben sich zusammen und legen sich übereinander - bizarre Formen entstehen. Mit den ersten Frühlingsstrahlen ist auch dieser Zauber vorbei. Noch lange bevor der letzte Schnee verschwunden ist, sind auf den Südhängen bereits die ersten Frühlingsblumen zu finden.