Wer im November durch einen Laubwald wie jenen im Nationalpark Thayatal wandert, wird begleitet von einem lauten Rauschen und Rascheln. Mit jedem Schritt wirbelt man das Blättermeer, das nun nicht mehr auf den Bäumen, sondern unter ihnen liegt, durcheinander.
Warum versinkt der Wald nicht im Herbstlaub?
Ein intensives Geräuscherlebnis, das zum Nachdenken anregt. Denn, wie kann es sein, dass die Wälder nicht in ihren Blattmassen untergehen? - Wenn man bedenkt, dass eine 100-jährige Buche über den Daumen gerechnet eine halbe Million Blätter im Herbst abwirft und eine Laubschicht von fünf bis zehn Zentimetern Dicke anwachsen lässt.
In einem Buchenwald in Deutschland haben sich Wissenschaftler sogar die Mühe gemacht, das anfallende Laub, die Knospenschuppen, Früchte, Zweige und Äste auf einem Hektar Wald abzuwiegen. Das Ergebnis war rund vier Tonnen schwer, Trockengewicht wohlgemerkt.
Fragt sich nur, wohin verschwindet das viele Laub bzw. fachmännisch ausgedrückt, die Laubstreu? Definieren wir zunächst einmal, was mit Laubstreu gemeint ist, es handelt sich dabei um "eine lockere Decke aus äußerlich noch unverändertem oder nur wenig verändertem Laub". Aber das bleibt nicht lange so, denn sobald die Blätter den Boden berühren, setzt sich eine Zersetzungs-Maschinerie in Gang. Und sobald man ein bisschen tiefer in die Laubstreu hineinblickt, sieht man auch, was den frisch gefallenen Blättern demnächst blüht. Weiter unten nämlich zeigen sich die "gefallenen Blätter" schon deutlich verändert, gebrandmarkt von Fraßspuren und Löchern, aufgespeist bis auf das Blattgerippe.
Vom intakten Blatt zum klapprigen Skelett
Aber der Reihe nach. Wenn ein Herbstblatt zu Boden segelt, wird es dort von einer illustren Schar von Mikroorganismen erwartet, die schnurstracks damit beginnen, die oberste Zellschicht des Blattes, die Epidermis, aufzuschließen. - Feuchte Witterung und ein entsprechender Wasserfilm rund ums Blatt kommt ihnen dabei sehr gelegen.
In der nächsten Zersetzungsphase treten Springschwänze, Rindenläuse und Hornmilben auf den Plan. Sie fressen Löcher in die Epidermis der Blattunterseite. Zweiflüglerlarven beteiligen sich in der Folge am Fensterfraß, vergrößern die Löcher und setzen dem Blatt nun auch an dessen Rändern zu.
Mit fortschreitendem Zernagungsgrad wird die Anzahl der Buffetgäste immer größer. Auch Ohrwürmer, Asseln, Schnecken, Schnurfüßer, Saftkugler, Borstenwürmer und Milben gesellen sich hinzu. Alle zusammen schmausen sie nicht nur, sondern bilden auch Kot, der wiederum von Kleinstlebewesen zersetzt wird. Die Regenwürmer sorgen schließlich dafür, dass die Blattüberreste von oberhalb der Erde nach innen gelangen, mit Mineralteilchen verschmischt und in den Boden eingearbeitet werden.
Wie lange dauert die Zersetzung?
Je nach Blattart kann der Zersetzungsprozess unterschiedlich lange dauern. Weiche Blätter werden rascher abgebaut als harte und solche, die besonders viel Stickstoff enthalten - wertvoller Dünger für den Boden! - werden von den Bodenorganismen in die schnellere "Abfertigungsspur" aufgenommen. Rascher geht es etwa bei Erle, Esche und Ulme, ihre Blätter sind bereits im Folgesommer zersetzt. Hainbuchenblätter brauchen etwa eineinhalb Jahre, das härtere Eichenlaub zweieinhalb Jahre und Buchenblätter meist drei Jahre.
Hitze verlangsamt Zersetzung
Ohne die Arbeit der emsigen Bodenbewohner wären all diese Prozesse undenkbar. Biologen aus den USA haben allerdings herausgefunden, dass klimatische Veränderungen für Aufruhr in der Laubstreu sorgen könnten. Anhand des Rot-Ahorns stellten sie fest, dass die Bäume bei heißerem und trockenerem Wetter vermehrt Gerbstoffe, die in der Regel zur Schädlingsabwehr dienen, produzieren. Fällt dieses gerbstoffreiche Laub zu Boden, wirkt es hemmend auf die Mikroorganismen, was wiederum den Zersetzungsprozess verlangsamt.
Ob das auch auf Buche, Eiche und Co. zutrifft bzw. inwiefern die Böden der möglicherweise wärmeren Zukunft dadurch tatsächlich nährstoffärmer werden, steht noch in den Sternen. Feststeht, dass ein Spaziergang durch den spätherbstlichen Wald nicht nur ein Geräuscherlebnis ist, sondern auch ganz schön lehrreich ist :)
24.11.2016
Warum versinkt der Wald nicht im Herbstlaub?
Ein intensives Geräuscherlebnis, das zum Nachdenken anregt. Denn, wie kann es sein, dass die Wälder nicht in ihren Blattmassen untergehen? - Wenn man bedenkt, dass eine 100-jährige Buche über den Daumen gerechnet eine halbe Million Blätter im Herbst abwirft und eine Laubschicht von fünf bis zehn Zentimetern Dicke anwachsen lässt.
In einem Buchenwald in Deutschland haben sich Wissenschaftler sogar die Mühe gemacht, das anfallende Laub, die Knospenschuppen, Früchte, Zweige und Äste auf einem Hektar Wald abzuwiegen. Das Ergebnis war rund vier Tonnen schwer, Trockengewicht wohlgemerkt.
Fragt sich nur, wohin verschwindet das viele Laub bzw. fachmännisch ausgedrückt, die Laubstreu? Definieren wir zunächst einmal, was mit Laubstreu gemeint ist, es handelt sich dabei um "eine lockere Decke aus äußerlich noch unverändertem oder nur wenig verändertem Laub". Aber das bleibt nicht lange so, denn sobald die Blätter den Boden berühren, setzt sich eine Zersetzungs-Maschinerie in Gang. Und sobald man ein bisschen tiefer in die Laubstreu hineinblickt, sieht man auch, was den frisch gefallenen Blättern demnächst blüht. Weiter unten nämlich zeigen sich die "gefallenen Blätter" schon deutlich verändert, gebrandmarkt von Fraßspuren und Löchern, aufgespeist bis auf das Blattgerippe.
Vom intakten Blatt zum klapprigen Skelett
Aber der Reihe nach. Wenn ein Herbstblatt zu Boden segelt, wird es dort von einer illustren Schar von Mikroorganismen erwartet, die schnurstracks damit beginnen, die oberste Zellschicht des Blattes, die Epidermis, aufzuschließen. - Feuchte Witterung und ein entsprechender Wasserfilm rund ums Blatt kommt ihnen dabei sehr gelegen.
In der nächsten Zersetzungsphase treten Springschwänze, Rindenläuse und Hornmilben auf den Plan. Sie fressen Löcher in die Epidermis der Blattunterseite. Zweiflüglerlarven beteiligen sich in der Folge am Fensterfraß, vergrößern die Löcher und setzen dem Blatt nun auch an dessen Rändern zu.
Mit fortschreitendem Zernagungsgrad wird die Anzahl der Buffetgäste immer größer. Auch Ohrwürmer, Asseln, Schnecken, Schnurfüßer, Saftkugler, Borstenwürmer und Milben gesellen sich hinzu. Alle zusammen schmausen sie nicht nur, sondern bilden auch Kot, der wiederum von Kleinstlebewesen zersetzt wird. Die Regenwürmer sorgen schließlich dafür, dass die Blattüberreste von oberhalb der Erde nach innen gelangen, mit Mineralteilchen verschmischt und in den Boden eingearbeitet werden.
Wie lange dauert die Zersetzung?
Je nach Blattart kann der Zersetzungsprozess unterschiedlich lange dauern. Weiche Blätter werden rascher abgebaut als harte und solche, die besonders viel Stickstoff enthalten - wertvoller Dünger für den Boden! - werden von den Bodenorganismen in die schnellere "Abfertigungsspur" aufgenommen. Rascher geht es etwa bei Erle, Esche und Ulme, ihre Blätter sind bereits im Folgesommer zersetzt. Hainbuchenblätter brauchen etwa eineinhalb Jahre, das härtere Eichenlaub zweieinhalb Jahre und Buchenblätter meist drei Jahre.
Hitze verlangsamt Zersetzung
Ohne die Arbeit der emsigen Bodenbewohner wären all diese Prozesse undenkbar. Biologen aus den USA haben allerdings herausgefunden, dass klimatische Veränderungen für Aufruhr in der Laubstreu sorgen könnten. Anhand des Rot-Ahorns stellten sie fest, dass die Bäume bei heißerem und trockenerem Wetter vermehrt Gerbstoffe, die in der Regel zur Schädlingsabwehr dienen, produzieren. Fällt dieses gerbstoffreiche Laub zu Boden, wirkt es hemmend auf die Mikroorganismen, was wiederum den Zersetzungsprozess verlangsamt.
Ob das auch auf Buche, Eiche und Co. zutrifft bzw. inwiefern die Böden der möglicherweise wärmeren Zukunft dadurch tatsächlich nährstoffärmer werden, steht noch in den Sternen. Feststeht, dass ein Spaziergang durch den spätherbstlichen Wald nicht nur ein Geräuscherlebnis ist, sondern auch ganz schön lehrreich ist :)
24.11.2016