Pilotstudie Flechtendiversität

Nationalpark Thayatal im Frühlingskleid, Umlaufberg, Flussmäander, Headerbild für Aktuelle Nachrichten.
Im Jahr 2022 wurde im Rahmen des Interreg-Projektes Connecting nature AT-CZ eine grenzüberschreitende Pilotforschung über die Standortpotentiale für Flechten im Nationalpark Thayatal / Podyjí durchgeführt. Ein Team aus österreichischen und tschechischen Forschern (Franz Berger, Jan Vondrák, Jiří Malíček, Zdeněk Palice) verbrachte im Zuge dieser Forschungstätigkeiten 29 Tage im Gelände. An insgesamt 21 Lokalitäten und 185 Entnahmeplätzen konnten am Ende 618 Arten erfasst werden. Aus den Forschungsarbeiten geht eindeutig hervor, dass der Nationalpark Podyjí / Thayatal zu einem der flechtenreichsten Gebiete Mitteleuropas und wahrscheinlich sogar ganz Europas gehört.

Wie sehen also die Forschungsergebnisse aus?
Von diesen insgesamt 618 erfassten Arten, stehen insgesamt 166 Arten auf der Roten Liste der Tschechischen Republik. Davon galten fünf Arten bislang als verschollen.

Hier, eine kleine Auswahl an seltenen Flechtenarten, die im Zuge dieser Forschungsarbeiten erfasst werden konnten:

Phlyctis agelaea
Diese Flechtenart tritt meist in weißer bis weißgrauer Färbung auf. Sie hat eine Vorliebe für glatte Rinde mit höherem pH-Wert, vor allem jungen Eschen. In den Alpen wurde die Art häufiger erwähnt, ansonsten ist sie in Mitteleuropa allerdings selten. Im untersuchten Gebiet galt sie bis vor kurzem als unauffindbar. Im Zuge dieser Forschungsarbeiten konnte sie im österreichischen Teil des Nationalparks gefunden werden.

Collema dichotomum (= Lathagrium dichotomum )
Diese Art gehört zu den besonders sensiblen Wasserflechten und hat eine dunkelgrüne Färbung. Sie ist auf dauerhaft überschwemmten Kalksandsteinen in langsam fließenden Gebirgsflüssen zu finden und ist sehr sensibel was die Verunreinigung der Gewässer angeht. In Österreich gilt sie als äußerst selten, mit einem bekannten Fundort in Oberösterreich. Im Rahmen der Forschung wurde die Art an mehreren Plätzen auf Kalksandstein in der Thaya beiderseits der Grenze gefunden. Überraschenderweise tritt diese Flechte hier lokal sehr häufig auf.

Calicium abietinum
Diese Flechtenart lässt sich nur mithilfe eines Mikroskops eindeutig bestimmen. Sie wächst auf noch stehendem, entrindeten Totholz von Nadel- und Laubbäumen, das langsam zu faulen beginnt. In der Regel benötigt sie lichte, trockene Standorte. Im Untersuchungsgebiet konnte sie auf dem Holz eines Kieferstumpfes und an einem Felsen entdeckt werden.


Diese kleine Auswahl an Forschungsergebnissen zeigt, wie hoch die Lebensansprüche seltener Flechtenarten sein können. Fazit der Forschung ist jedenfalls, dass der Nationalpark Thayatal / Podyjí einer ausgesprochen großen Vielfalt an Flechtenarten Lebensraum bietet.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich hier um eine Pilotstudie, deren Forschungsergebnisse unvollständig sind und das gesamte Gebiet nicht repräsentieren können. Dennoch gibt sie einen sehr guten Einblick in die einzigartige Pflanzenwelt des Thayatals. Man geht davon aus, dass selbst auf den bisher erforschten Gebieten weitaus mehr Arten beheimatet sind, als gedacht. Das Forschungspotential ist also noch lange nicht erschöpft. Grenzüberschreitende Forschungsarbeit kann hier einen großartigen Beitrag leisten.
19.12.2022

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